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NEUES AUS
DER MUSIKWELT
POP
Latin Q uarter
TILT
Westpark/Indigo CD
(39’)
Bekannt geworden sind sie vor
drei Jahrzehnten mit politisch en-
gagierten Songs wie „Radio Africa“,
seit der Reunion
2011
wenden sich
Latin Quarter nun aber immer öf-
ter dem Privatbereich zu. Auch auf
dem etwas altmodisch klingenden
neuen Longplay stellt ein Titel wie
„50
Grams“ mit seiner Kritik an
der ungerechten Verteilung des
Wohlstands die Ausnahme dar.
Daneben denken die Engländer
zum annehmbaren Poprock lieber
über verflüchtigte Liebesgefühle
(„Once, Twice“) und das Festste-
cken im Alltagstrott („Sometimes
The Big Fish“) nach. Drei Titel
veredelt Gast Chris Rea mit seiner
exquisiten Slidegitarre.
hake
MUSIK ★ ★ ★ ★ ★
KLANG ★ ★ ★ ★
Diverse M usiker
RONNIE JAMES DIO
THIS IS YOUR LIFE
Rhino/Warner CD
(69’)
Von weinerlichen Gefühlen halten
die harten Kerle der Metal-Sze-
ne bekanntermaßen nicht viel,
deswegen
verabschieden
sich
Genre-Kollegen wie Adrenaline
Mob, Anthrax, Motörhead, die Scor-
pions und Halestorm vom
2010
ge-
storbenen Ronnie James Dio denn
auch so, wie es ihnen näher liegt:
rustikal und ruppig, laut und wild.
Breiten Raum nimmt in den hörens-
werten Covers Dios Rainbow-Phase
ein, Metallica etwa verschrauben
gleich vier Songs von damals zum
massiven Neun-Minuten-Koloss.
Das Kurzgastspiel bei Black Sab-
bath und Dios Soloschaffen werden
aber ebenfalls gewürdigt.
hake
MUSIK ★ ★ ★ ★ ★
KLANG ★ ★ ★ ★ ★
Parlophone/Warner CD
(39')
Auch als LP erhältlich
Dass es Kylie Minogue trotz ihrer
eindimensionalen Stimme zu Welt-
ruhm gebracht hat, verdankt sie
nicht zuletzt jenen Songschreibern
im Hintergrund, die sie mit zünden-
den Hit-Titeln versorgt haben. Auf
„Kiss Me Once“ bleiben die jedoch
ebenso aus wie bereits auf „Aphro-
dite“ (
2010
). Diesmal scheitert die
reizende Australierin wiederum an
penetrant durchgestampften Disco-
rhythmen, simplen Melodien ohne
Erinnerungswert und einem auf
Smartphone-Niveau komprimierten
Klang. Selbst sonst so zuverlässige
Zulieferer wie Pharrell Williams und
Kelly Sheehan bleiben weit hinter
ihren Möglichkeiten zurück.
hake
MUSIK ★ ★ ★ ★ ★ ___________
KLANG ★ ★ ★ ★ ___________
WILKO
JOHNSON/ Ä »
ROGER
і
DALTREY
f
W ilk o Johnson & Roger D altrey
GOING BACK HOME
Chess/Universal CD
(35’)
Trotz finaler Krebsdiagnose fand
Wilko Johnson, in den Gründer-
jahren von Dr. Feelgood deren
Gitarrist, im Herbst
2013
noch die
Kraft, einen mit Who-Sänger Ro-
ger Daltrey ausgeheckten Einfall
zu verwirklichen und gemeinsam
dem Pubrock ihrer Jugend nach-
zuspüren. Beide sind inzwischen
ältere Herren, hier lassen sie es in
Oldies von Dr. Feelgood („Sneaking
Suspicion“) und den Solid Senders
sowie einer spritzigen Fassung von
Bob Dylans „Can You Please Crawl
Out Your Window“ aber noch mal so
richtig krachen. Eigens für dieses
fantastische Spätwerk wurde das
legendäre Chess-Label wiederbe-
lebt.
hake
MUSIK ★ ★ ★ ★ ★
KLANG ★ ★ ★ ★
Ayos von Leidenschaft beseelte
Stimme zieht den Hörer unwillkür-
lich in ihren Bann. Seit ihrem
Hit „Down On My Knees“ fas-
ziniert Joy Olasumibo Ogun-
makin (bürgerlicher Name)
ihre Fans zudem mit einem
soliden Mix aus Reggae,
Blues, Soul und Hip-Hop.
Drei Jahre nach „Billie-Eve“
zeigt sich die in Frechen bei
Köln geborene Chanteuse
auf ihrem vierten Longplayer
nochmals deutlich gereifter.
Der Opener „Fire“
etwa
überzeugt mit einer Rap-Ein-
lage zu einem eingängigen,
harmonischen Riff. Hinzu
kommt die eigenwillige, aber
durchaus gelungene Version
des Bobby-Hebb-Klassikers
„Sunny“. Musikalisch ist sich
die Sängerin mit nigeriani-
| sehen Wurzeln dabei wieder
“ einmal treu geblieben.
wz
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6
musik
★ ★ ★ V
2 KLANG ★ ★ ★ ★
Ayo
TICKET TO THE WORLD
Vertigo/Universal CD
(59’)
Auch als LP erhältlich
Das DR-Logo gibt den Dynamikumfang des Tonträgers an. Nähere Infos unter www.stereo.de
Virgin/Universal CD
(60’)
Auch als LP erhältlich
Bereits seit sechs Jahren hat Mike
Oldfield kein neues Material vor-
gelegt.
2008
veröffentlichte er
das schwülstige Pseudo-Klassik-
werk „Music Of The Spheres“ und
strebte esoterisch nach Klängen,
die jenseitige Bereiche darstellen
sollten. Mit großem Orchester, Karl
Jenkins (Adiemus), Klavierstar Lang
Lang und Sopranistin Hayley Wes-
tenra verfolgte der Brite die antike
Idee einer Musica universalis, die
besagt, dass die Bahnen der Him-
melskörper nur eine andere Form
von Musik sind.
Nach diesem unsäglichen New-
Age-Quatsch kehrt Mike Oldfield
mit „Man On The Rocks“ erfreu-
licherweise auf die Erde und zu
seiner patentierten Mixtur aus Pro-
gressive Rock, Celtic Folk und Elekt-
ronik zurück. Auf dem wohltuend
weltlichen Album singt der stolze
Bootsbesitzer etwa vom Freiheits-
gefühl auf dem Meer („Sailing“), er
schildert, wie er die zerstörerische
Kraft von Hurrikan „Irene“ (Song-
titel)
2001
auf den Bahamas erlebt
hat, erinnert sich an ein Trinkgelage
mit Bandkumpels in den
1980
ern
(„Moonshine“) und denkt bedrückt
an die Ängste der eigenen Kindheit
zurück („Castaway“). Sehr irdische
Songgedanken.
Die
Grundspuren
der guten
Neuerscheinung wurden im Juni
2013
in Oldfields Abwesenheit in
L. A. gelegt, der
60
-Jährige war
lediglich via Skype zugeschaltet.
Die eigentliche Studioarbeit fand
dann
mithilfe
von
Produzent
Stephen Lipson (Jeff Beck, Annie
Lennox), Bassist Leland Sklar (Phil
Collins), Keyboarder Matt Rollings
(Lyle Lovett, Mark Knopfler) sowie
Drummer John Robinson (Daft
Punk) auf den Bahamas statt. Den
Part des Leadsängers übernahm
der junge, noch wenig bekannte
Luke Spiller von The Struts. Seinen
Namen sollte man sich merken.
Harald Kepler
STEREO 5/2014 129